Mehrgenerationenwohnen im Null-Heizkosten-Haus
Mehrgenerationenwohnen beruht modellhaft auf guter Nachbarschaft, Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung. Diese Zielvorgaben lassen sich auch auf das eigentliche Gebäude und seine energetischen Kreisläufe übertragen - Geben und Nehmen in einem ausgewogenen Kreislaufverhältnis. Um diesem Anspruch gerecht zu werden hat ENERGY CONSULTING BERLIN (ECOBAU CONSULTING) das Konzept eines Null-Heizkosten-Hauses entwickelt, welches dem Prinzip des Klimaschutzes und der ökonomischen Nachhaltigkeit gerecht wird.
Konzept: Der überzeugende Vorteil bei einem Null-Heizkosten-Haus ist: Das Gebäude erwirtschaftet die anfallenden Energien/Kosten für die wohltemperierten Wohnungen selbstständig. Dieses bedeutet in der Praxis, dass die Bilanz der von Außen bezogenen Energie gleich/oder kleiner der eigen erzeugten Energiemenge ist. Das Gebäude kann damit auch bei deutlich steigenden Energiekosten den Bewohnern ohne Mehrkosten einen hohen Wohnkomfort bieten. Unter hohem Wohnkomfort versteht sich in diesem Fall auch eine Frischluftlüftung, welche Schadstoffe und Pollenbelastung heraus filtert und in Sommermonaten die Außenluft auf ein erträgliches Maß herunterkühlt.
Grundlage des Konzeptes ist es, den Energieverbrauch so gering wie möglich zu halten und diesen dann über regenerative Sonnenenergie zu decken. Dieses wird erreicht durch eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle und eine kontrollierte Lüftung, welche auch die Beheizung übernimmt. Die Zuluft wird über einen Erdkanal vortemperiert, so dass auch in den Sommermonaten ohne großen technische Klimatisierung eine Lufttemperatur von 7 – 8 Grad unter Außenlufttemperatur erreicht werden kann. Der gesamte Energieverbrauch für Heizung, Lüftung und Warmwasser beträgt weniger als 15 kWh pro m2 im Jahr. Das entspricht dem Passivhausstandard. Die notwendige Wärme wird über Vakuumkollektoren und Wärmepumpen gewonnen. Der notwendige Strombedarf der Wärmepumpen wird vollständig durch die produzierte Gesamtjahresmenge Strom einer Netzverbund-Photovoltaikanlage rechnerisch gedeckt, so dass von einem "Null-Heizenergiehaus" gesprochen werden kann. Die durch das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) gesicherte Vergütung des in das öffentliche Stromnetz eingespeisten Solarstroms wird langfristig die Herstellungskosten der Anlage abdecken. Das öffentliche Stromnetz dient somit als Puffer und Finanzierungsquelle.
Eine Hochwärmegedämmte Gebäudehülle sorgt für einen geringen Bedarf an Energie Grundlage für einen niedrigen Energiebedarf ist ein hoher Wärmedämmstandard der Fassade, des Dachs und der Fenster, welcher einem Passivhaus entspricht. Die wesentliche und besondere Eigenschaft eines Passivhauses ist die konstante Innentemperatur, weshalb eine Luftheizung mit geringen Temperaturen ausreichend ist. Im Sommer sorgen zusätzlich die Wärmedämmung und das Erdregister dafür, dass das Gebäude relativ kühl bleibt.
Beim H-Bautyp führt die Überdachung der Innenhöfe zu thermischen Pufferzonen und es entsteht ein günstigeres Außenflächenverhältnis des Baukörpers. Bei den Außenwänden werden geringste Wärmedurchlasswerte (U-Werte von 0.10 bis 0.15 Watt/Quadratmeter Kelvin) realisiert. Durch den Einsatz von Dämmstoffen aus Polyurethan-Hartschaum lassen sich Dämmstoffstärken unter 20cm realisieren. Bei Fenstern und Türen kommen Dreifachverglasungen (U-Wert von unter 0,8 W/m2K) zum Einsatz. Eine hohe Luftdichtigkeit mindert weitere Verluste. Konstruktiv bedingte Wärmebrücken werden auf ein Minimum reduziert. Die Flachdächer werden überwiegend mit einer Bitumeneindeckung versehen welche als oberste Schicht eine weiße acrylbeschichtete Reflexionsschicht besitzt. Diese Schicht hat einen Reflexionswert von 76% welche den sommerlichen Wärmeeintrag drastisch mindert und die diffuse Strahlungsgewinne der Photovoltaik erhöht.
Regenerative Energiequellen decken kostenstabil den Kälte- und Wärmebedarf Solarthermie sorgt für warmes Wasser In die fensterlosen Südwest- und Südostfassaden sind Vakuumröhren-Sonnenkollektoren integriert. Diese werden für die Warmwassererwärmung und zur Heizungsunterstützung genutzt. Diese vertikale Anordnung der Röhrenkollektoren hat verschiedene Vorzüge. So bringt die vertikale Kollektorposition unter anderem im Winterhalbjahr einen größeren Ertrag als eine geneigte Lage. Die gewonnen Wärme wird den Latentwärmespeicher-Systemen zugeführt. Pro Bewohner wird eine Sonnenkollektorfläche von etwa 0,8 m2 installiert.
Photovoltaik liefert den Betriebsstrom Die Flachdächer werden weitgehend mit amorphen Siliziumdünnschichtzellen bestückt. Diese Module werden mit einer 30o Neigung fest aufgeständert. Dies ist die optimale Ausrichtung und sorgt für eine Selbstreinigung durch den Regen und Schnee. Über den Glashallen bildet die Anlage einen Teil der nötigen Verschattung zum sommerlichen Wärmeschutz. Die Photovoltaikanlage liefert die nötige Strommenge für die Wärmepumpen und andere betriebstechnischen Einrichtungen. Diese Anlage ist als Netzverbundanlage konzipiert. Das bedeutet: die Anlage produziert in den Sommermonaten einen Überschuss an Strom, welche sie in das öffentliche Netz einspeist. In den leistungsschwächeren Wintermonaten bezieht dann das Gebäude fehlenden Strom aus dem öffentlichen Netz. Der in seiner CO2 Bilanz kritische Netzstrom wird durch diesen Einsatz regenerativ erzeugten Stroms kompensiert. Überschüsse aus der Netzeinspeisevergütung sorgen für eine schnellere Amortisation. Steigende Strompreise bedeuten höhere Einnahmen, welche die Zukäufe subventionieren. Die Bewohner sind von den steigenden Energiekosten somit langfristig abgekoppelt.
Erdregister heizen und kühlen vor Im Bereich der neuen Grünanlagen sind in 1,5 m Tiefe etwa 30m lange Kunststoffrohre zur Frischluftansaugung verlegt. Diese Erdregister erwärmen die Luft bei winterlichen Außentemperaturen auf bis zu +3.5°C. Diese Vortemperierung erzeugt eine geringere Temperaturdifferenz und erhöht den COP resp. die JAZ der Luft-/Wasser Wärmepumpen beträchtlich. Im heißen Sommern wird die Luft durch die Erdregister bei 35°C Außentemperatur noch auf 18°C vorgekühlt. In der Übergangszeit, bei Außentemperaturen zwischen 10°C und 18°C wird die Luft über einen Bypass angesogen. Mit dieser „kostenlosen“ Vorklimatisierung können die Atrien ganzjährig genutzt werden.
Wärmepumpen heizen nach Im Gebäude sind 3 bzw. 6 gleichartige Energiezentralen vorgesehen. Dieses Konzept mindert Leitungsverluste, unnötig große Leitungsquerschnitte und Schallübertragung. Hier befinden sich die Elektrischen Kompressionswärmepumpen und die Latentwärmespeicher-Systeme. Mit Hilfe der Luft/Wasser-Wärmepumpen wird die restliche benötigte Wärme für die Luftheizung und Warmwasser bereitgestellt. Liefern die Sonnenkollektoren in der Übergangszeit und im Sommer genügend Wärme in die Latentwärmespeichersysteme, bleiben die Wärmepumpen außer Betrieb. Ein Latentspeicher (Wasser/Eis) Speichert Wärme auf einem niedrigeren Temperaturniveau. Die Speicherung erfolgt durch die Änderung des Aggregatzustandes des Speichermediums: durch das Auftauen und Einfrieren von Wasser lässt sich auf diese Weise sehr viel Energie auf sehr kleinem Raum speichern.
Luftheizungen verteilen die Wärme Die Wärmeverteilung für die Raumwärme erfolgt ausschließlich über die Lüftungsanlagen. Die benötigte Heizwärme wird von dem Latentwärmespeicher-System bereitgestellt und mit einem Lufterhitzer an die Zuluft abgegeben. Diese Zuluft ist dann bereits durch das Erdregister vortemperiert und gegen Schadstoffe und Pollen gefiltert. Die Luftverteilung erfolgt mit geringen zugfreien Geschwindigkeiten über Boden- und Deckenauslässe in den Wohnungen und Gemeinschaftsräumen. Ein kleiner Teil der erwärmten Luft wird über die Atrien und Erschließungsflächen abgeführt. Der größte Anteil der Abluft (Aus Küchen und Bädern) wird über dezentrale Wärmetauscher direkt in die Umgebungsluft wieder abgegeben.
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Auftraggeber:
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Invalidenstraße 44
D- 10115 Berlin http://www.bmvbs.de/
Kooperationspartner:
de+ architekten - Jan Dilling, Claudia Euler Markgrafenstraße 86, 10969 Berlin http://www.dilling-euler.de/ Dr. Werner Sewing Winterfeldtstr. 50, 10781 Berlin Telefon 030 - 216 51 37 w.sewing@t-online.de
Projektinfo Download: VORTRAG 16. Tag der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften in Dresden 9.-10.Mai 2007 Kolloquium "Mehrgenerationenwohnen in den Neuen Ländern" 15. Juni 2007 von 11.00-15.00 Uhr Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung Invalidenstraße 44, Raum A.EG.028
Veröffentlichung: Berliner ImpulsE Programm des Senates Zeitschrift Energie-ImpulsE http://www.berliner-impulse.de/fileadmin/Zeitschrift/EI_2_07.pdf
Projektdaten:
Das Projekt zum „Mehrgenerationenwohnen in den Neuen Bundesländern“ wurde 2006 vom BMVBS in Auftrag gegeben. Das Architekturbüro de+ architekten hat in Zusammenarbeit mit dem Soziologen Werner Sewing eine architektonische und institutionelle Modellbildung für die Neuen Bundesländer erarbeitet, in dem eine Integration von Mehrgenerationenwohnen (MGW) und einem generationsübergreifenden Nachbarschaftszentrum, vergleichbar dem vom Familienministerium geförderten Mehrgenerationenhaus (MGH) erprobt wird. Eine nachbarschaftlich eingebettete Mischnutzung aus Wohnen, MGH und Gewerbe soll in umgenutzten Schultypenbauten der DDR, die überall zur Verfügung stehen, exemplarisch umgesetzt werden. Das Konzept kann flexibel sowohl in schrumpfenden Regionen als auch in soziales Zentrum einer reduzierten Siedlungsstruktur als auch in innerstädtischen Wachstumszonen entwickelt werden. MGW und MGH stellen den integrierten Versuch dar, angesichts der rapiden Alterung der Gesellschaft und des Funktionsverlustes der Familie die Frage nach der Möglichkeit und der Verbindlichkeit neuer Formen von Nachbarschaft und der Solidarität und des Zusammenhaltes der Generationen jenseits der traditionellen Familie pragmatisch zu beantworten. Bedarf es für die Organisation der Gemeinschaftseinrichtungen analog zum MGH des Familienministeriums eines freien Trägers, so sind für das Projekt des MGW gerade Wohnungsgenossenschaften mit ihrer stabilen Mitgliederorientierung ein Garant für eben die Balance zwischen Einzelinteresse und Gemeinschaftsbindung, die auch der Idee des Mehrgenerationenwohnens zugrunde liegt.
Das Konzept und die Architektur
Für die Modellbildung wurden zwei regionale Schultypen ausgesucht: ein einhüftiger, viergeschossiger Typenbau aus den Sechziger Jahren in Berlin-Friedrichshain und ein aus zwei parallelen Riegeln mit zwei Innenhöfen bestehendes Modell in Radeberg in Sachsen aus den Siebziger Jahren. Die Gebäude liegen in zentralen oder innenstadtnahen Quartieren, verfügen über große Freiflächen. Die Abgrenzung und Verbindung der öffentlichen, halböffentlichen und privaten Flächen ist sehr gut zu realisieren. Eine schematische räumliche Zuordnung der Generationen soll vermieden werden, als Faustregel aber gilt: Familien mit Kindern sollten unten, mit direktem Zugang zu den Freiräumen wohnen. Die mittlere Generation um die Fünfzig nutzt unterschiedlich große Wohnungen mit Balkon in den Zwischengeschossen, die ältere Generation mit größerem Ruhe- und Sicherheitsbedürfnis bezieht eher die oberen Geschosse. Gemeinschaftsräume für alle Bewohner werden im Foyerbereich, auf dem Dach oder im Garten mit ausreichenden Freiräumen platziert. Die Wohnungstypologie ist reichhaltig, vom Single-Appartement über Familienwohnung, Lofts und Maisonettenwohnen, Jugend-Wohnen und Alten-Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen werden verschiedene Nutzergruppen und Generationen integriert.
Das Berliner Modell liegt in einer zentralen innerstädtischen Lage in der Frankfurter Allee 14a. Es ist eine ehemalige Oberschule für 720 Schüler aus den Sechziger Jahren im Inneren eines Blockes mit großem Baumbestand. Die Schule ist ein einhüftiger kompakter Bau mit vier Geschossen und einem herausgestellten Erschließungsblock. Nach Süden zum Innenhof öffnen sich die Front der Klassenräume und das Hauptportal. Die nach Süden orientierten, baumgeschützten Klassenräume werden von Norden über geräumige, außen liegende Gänge erschlossen, die zu Kommunikationsräumen ausgebaut werden. Das geräumige Souterrain soll mit einer großzügigen Verglasung zu vier bis fünf Arbeitsräumen und Büros umgenutzt werden. Im Erdgeschoss wird das östliche Kopfende mit dem Haupteingang zu einem Nachbarschaftszentrum für alle Generationen umgebaut. Es wird über 160 qm Fläche verfügen, deren Eingang über eine neue Treppe und eine behindertenfreundliche Rampe von der östlichen Stirnseite aus erschlossen wird. Der frühere Schuleingangsbereich und eine südliche Treppe werden als Café mit Terrasse genutzt. Das MGH ist räumlich vom Wohntrakt getrennt. Die im EG westlich an das MGH anschließenden Wohnungen haben je einen kleinen Vorgarten. Drei Wohnungen erschließen als Maisonetten auch das darüber liegende 1.OG. Im 1.OG befinden sich sechs Wohnungen mit Flächen von 30 bis 87 qm. Im großen Treppenblock entsteht ein Gemeinschaftsraum. Im 2. und 3. OG werden über die geräumige Kommunikationszone der Gänge je acht Wohnungen für Singles und eine größere Wohnung für Paare konzipiert sind. Alle Wohnungen haben Balkone nach Süden. Das Dach wird im Bereich des Treppenblocks als Gemeinschaftsraum mit angeschlossener Sauna und Terrasse umgebaut.
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